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Das sexuelle Leben der Frau Millet: Beischlaf-Schocker oder Schnee von gestern?

Wie geht es eigentlich Catharine M.? Lange Zeit rangierte ihr Buch mit dem verkaufsfördernden Schocker-Titel ganz weit oben auf den Bestsellerlisten der Buchwelt. Zur Erinnerung: Um nichts anderes als Sex, Sex und nochmals Sex geht es in der schonungslosen Biographie der freizüngigen Französin. Ist es nackte Pornographie, von den Medien zum „Erotikklassiker“ hochstilisiert – oder ein offener Bericht über den sexual way of life einer modernen, emanzipierten Frau? Darüber mache sich jede(r) selbst sein Bild. Fest steht jedenfalls, dass dieses Buch heute zu den Titeln gehört, die man angeblich unbedingt gelesen haben muss, um „mitreden“ zu können. So jedenfalls blasen es die Verlage durch ihre PR-Organe.

Inzwischen gibt es „Das sexuelle Leben der Catherine M.“ sogar als Hörbuch. Dort trägt eine gewisse Marion von Stengel (großes Ausrufungszeichen) die Ausschweifungen der Catharine M. vor. Große Begeisterung entfachte sie nach Hörermeinung allerdings nicht. Der monotone Vortrag der Dame mit dem verheißungsvollen Namen gäbe der vermeintlichen Audio-Orgie den Rest, urteilt einer. Schon deshalb, weil sie den Text mit dem Charme und der Erotik eines Eiszapfens vortrage. Die Schilderung einer Beischlafszene mit mehreren Männern, so mäkelt’s anderenorts, sei etwa so anregend wie die Beschreibung eines Viertaktmotors aus einem Physikbuch. Zwar fehlerfrei, aber mit der Modulation einer Zeitansage, langweilig und schnell lese sie den Text herunter. Nun ja, möchte man zu bedenken geben, vielleicht bespricht sie ja hauptberuflich die Warteschleifen diverser Servicehotlines.

Eigentlich erstaunlich, wo doch die Autorin mit bewundernswertem Erinnerungsvermögen einen Koitus nach dem anderen aufzählt, gar mit der Akribie einer Buchhalterin. Meist jedoch ohne erwähnenswerte Handlung, ohne jegliche Spannung. Mit knisternder Erotik habe dies gar nichts zu tun, eher erwerbe man mit dem Kauf des Hörbuchs zugleich eine Lizenz zum Einschlafen, urteilt eine weitere Hörerin. Und der Versuch, Ihre „schlappe Rethorik“ mit Gossenausdrücken aufzupeppen, erhöhe den Unwillen, sich das Werk weiter zuzumuten, erst recht.

Meine Meinung: Unter dem Strich betrachtet, entpuppt sich das vermeintlich ’spektakulärste Buch‘ der letzten Jahre leider als Longtime-Langweiler. Die sexuellen Exzesse der Frau Millet mögen für sie selbst sicher interessant sein, für das große Publikum wohl weniger. Bei allem anfänglichen Wohlwollen, die Fließband-Vögelei reizt zwar irgendwann, aber nur zum Gähnen. Wer nach spannender Erotik sucht, kann sein Geld weitaus besser anlegen.

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Mehr Tease als Strip – wo gibt’s das denn?

Carlos erwähnte in dem Artikel über Dita von Teese etwas von Burlesque – was ist das eigentlich genau? Vielleicht so was wie Striptease oder Table Dance? Und wo kann man sich so was mal ansehen? Das würde mich richtig interessieren. Vielleicht habt Ihr ja einen Tipp für mich?!
Claudia B.

Haben wir, liebe Claudia. Eine Erklärung, einen Tipp, und damit auch gar keine Wünsche offen bleiben, sogar ein Video. Fangen wir mal mit der Erklärung an. Also: als der Striptease noch verboten war und Table Dance noch keiner kannte, da gab es in unserem Kulturkreis das, was man ganz verschämt Schönheitstänze nannte. Ausziehen war damals geradezu undenkbar, jedenfalls im offiziellen Rahmen. Dann wurden die Zeiten offenherziger. Doch weil es noch zu früh war für den Striptease, kam die Burlesque – sozusagen der erotische Tanz der 1920er Jahre. Da ging’s schon koketter zu, wenngleich alles mit künstlerischem Background. Ausziehen war aber immer noch nicht, jedenfalls nicht ganz.

Offiziell (etwa bei Wikipedia) liest sich die Definition von Burlesque so: „Vom klassischen Striptease bis hin zu modernem Tanz, von kleinen Theaterstücken bis hin zu Comedyeinlagen ist erlaubt, was gefällt, wobei der Fokus wie in der klassischen Burlesque eher auf neckisch-humorigen Reizen (tease) als auf dem Ausziehen (strip) liegt.“

Und nun zum Tipp für Dich: Mehr Tease als Strip (voll live, aber nicht zum Anfassen), genau das gibt es im „Queen Calavera“ in Hamburg. Nur einen Steinwurf entfernt von der verrufenen Herbertstraße im Sex-Ghetto von St. Pauli versteckt sich das Nostalgietempelchen inmitten einer Kulisse in plüschigem Rot (www.queencalavera.de). Dennoch haben sie dort mit der klassischen Rotlicht-Szene nichts am Hut. „Die Queen“ präsentiert sich geheimnisvoll, verrucht – und kokett. Hier erhält die Erotik hier wieder ein ganz neues Kleid.

Die Ladys auf der Winzig-Bühne nennen sich Belle la Donna, Nelly Farouche oder auch Frau Pepper. Nicht zu vergessen Marlene von Steenvag (die ich übrigens persönlich kennen gelernt habe). Was Marlene drauf hat, könnt Ihr Euch hier ansehen. Übrigens sehr ansehnlich, wie ich finde.

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Böse Blumen: Wie anstößig dürfen Gedichte sein?

Was für ein Skandal, als die Erstausgabe in den Verkauf gelangte – mit einer Auflage von rund 1100 Exemplaren und wahrscheinlich vorwiegend unter dem Ladentisch. Schon zwei Wochen später hatte die Staatsanwaltschaft eine Strafverfolgung eingeleitet – wegen Gotteslästerung und Beleidigung der öffentlichen Moral! Stein des Anstoßes: Les Fleurs du Mal (Die Blumen des Bösen), ein Gedichtband von Charles Baudelaire. Im Verlauf des Prozesses wurde der Schriftsteller wegen „Verhöhnung der öffentlichen Moral und der guten Sitten“ verurteilt und die weitere Veröffentlichung von sechs „anstößigen“ Gedichten verboten.

Wer war dieser Baudelaire? Etwa ein Lustmolch, des nachts nackt mit der Dichterfeder in der Hand unterwegs, um zur Massenkopulation unter Pariser Laternen aufzukitzeln? Ein Sittenstrolch, der in gereimter Form eine Sauerei an die andere reihte? Heute kaum noch nachzuvollziehen solche Anschuldigungen, da es wimmelt von Buchtiteln wie „Feuchtgebiete“ „Die sexuellen Phantasien der Frauen“ oder „Hochgefickt“ (vielleicht habt Ihr hierzu schon den Kommentar von Kira O. in unserer Kolumne gelesen).

Möglicherweise, so ließe sich lästern, war es der Neid auf die Liebesbeziehung Baudelaires zu der dunkelhäutigen Jeanne Duval, warum die Herren Richter den freizüngigen Dichter verurteilten – und anschließend wahrscheinlich schnurstracks ins nächste Bordell eilten.

Heute ruft zum Glück niemand mehr nach dem Staatsanwalt, wenn auf dem Umschlag von „Die Blumen des Bösen“ zu lesen ist: „Die Gedichte Baudelaires entdecken die ästhetische Faszination des Abnormen, Unheimlichen, Verfallenen und den Reiz des Grauens. Sie beschreiben Verzweiflung und sexuelle Besessenheit, die Qual des Schwankens zwischen Geist- und Tiernatur des Menschen.“

Für das Cover wäre man zu Baudelaires Böse-Blumen-Zeiten (1857) wohl im Gefängnis gelandet. Damals ließ die Obrigkeit solcherart Anstößigkeiten in speziellen „Giftkammern“ verschwinden. Nur „Befugte“ hatten Zutritt. Unter ihnen vermutlich auch diejenigen, die „anstößige Gedichte“ per Gerichtsurteil geißelten.

Nun ja, die Zeiten ändern sich und heute sind Museen und Galerien voll von Beweisen, dass öffentliche Moral und heimliche Ausschweifungen schon immer ein seltsames Zwillingsdasein führten. François Boucher und Gustave Courbet, Zeitgenossen des Dichters, haben genau das in ihren Bildern dokumentiert. Dass die größte pornographische Sammlung in der Vatikanischen Bibliothek zu finden ist, soll aber angeblich nur eine weit verbreitete Legende sein.