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Nackte zwischen Hamburger-Buletten: „Porno-Picnic“ im Theater!

Erst am Montag läuft „Gólgota Picnic“ im Thalia Gaußstraße in Hamburg. Aber schon Tage vorher gibt’s einen Mordsärger um die „bizarre Aufführung“ im Rahmen der Lessingtage. Es hagelt Proteste, Katholiken bombardieren Intendanten und Mitarbeiter mit E-Mails, werfen ihnen „Gotteslästerung“ vor. Und warum die ganze Aufregung?

Eine fast barbusige Frau nehme eine Kreuzigungspose ein. Das sei eine bewusste Pervertierung und für Christen mehr als verletzend, so der Sprecher der Priestervereinigung „Piusbruderschaft“. Zudem trage die Schauspielerin einen Motorradhelm, auf dem eine Dornenkrone angebracht ist, wodurch christliche Symbole verhöhnt würden. Sogar von „Gotteslästerung“ ist die Rede, von  „Volksverhetzung“ und von „Pornografie“. Die Protestler wollen, dass das Stück abgeblasen wird.

Bereits vor einem Monat sorgte „Gólgota Picnic“ in Paris für Drohungen. Vor dem „Théâtre du Rond-Point“, liefen Polizisten Patrouille. Leibesvisitation an der Theaterkasse – immerhin ist von Stinkbomben und Tränengas die Rede – auch Montag in Hamburg?

Viel unaufgeregter klingt es aus der Steiermark herüber (dort lief das Stück schon im Herbst 2011):

„Ein gefallener Engel spricht. Er kann das Böse nicht mehr auf die Erde bringen, denn das Böse ist bereits von den Menschen einkalkuliert und konsumiert. Und so fürchtet selbst der Teufel die Menschheit. Der Schädelhügel, auf dem der argentinisch-spanische Regisseur Rodrigo García sein exzessives Picknick stattfinden lässt, ist ein von Hamburgerbrötchen übersätes Schlachtfeld des Konsums, in dem Kunst bestenfalls noch Ornament ist. Eine verstörende Version der Welt, in der wir leben.

Garcías drastisch-physische Theatersprache ist eine wütende Abrechnung mit der westlichen Zivilisation, mit uns. Überbordend und dabei der Bibel, die mit ihren Geschichten die große Textlawine des Abends inspiriert, ähnlich in ihrer Wucht und wilden Bildlichkeit: Engel steigen auf und fallen herunter, überall Feuer, Himmel, die sich öffnen, Wunder, Dämonen, Tote und unfassbare Foltern. Und inmitten dieser theatralischen Sendung sitzt Marino Formenti – der mit seinem Klaviermarathon eine markante Spur durch den steirischen herbst 2010 zog – nackt am Flügel und spielt Haydns „Die sieben letzten Worte unseres Erlösers am Kreuze“. Und spielt und spielt, bis auch die letzte Note verklungen ist.“
(www.steirischerherbst.at)

Die nüchterne Gesamteinschätzung: 72% Theater, 14% Klavier, 14% Exzess.

Wer sich selber ein Bild machen möchte über das umstrittene Porno-Picnic, einen ersten Eindruck gibt’s über youtube:

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Live-Sex im Theater: Der Skandal um “Libido Sciendi” in Hamburg

Master of Complication #1Heiß ging es her beim „Live Art Festival“ auf Kampnagel in Hamburg (1. bis 11. Juni). Schon das Vorspiel hatte es in sich. Denn das Plakat zum Kunst-Porno „Girlmonster – Community Action Center“ war der Deutschen Bahn zu drastisch. Sie verbot, die Plakate aufzuhängen – sogar an der S-Bahn-Station Reeperbahn. Dabei war in dem Tanzstück „Magical“ viel mehr zu sehen. Dort zerschnitt sich eine Schauspielerin langsam ihr Kleid, bis sie schließlich nackt auf der Bühne stand. Und setzte ihr Venusdelta mit einer Lampe in Szene. Dann zaubert sie ein scheinbar meterlanges Tuch aus sich hervor …

Ebenfalls feuchte Tuchfühlung und noch mehr anstandslose Action bot das Tanztheater-Stück „Libido Sciendi“. Um den Ort des Geschehens herum saßen 80 Zuschauer auf Kissen und Hockern. Zwei Tänzer, ein französisches Paar, kamen herein, zogen sich aus, küssten sich, verknoteten ihre Körper in verschiedensten Positionen miteinander – am Ende sollen sie sogar echten Sex gahabt haben, munkelten Hamburger Morgenpost und Abendblatt. „Riesenzoff um Porno-Kunst“, regte sich BILD auf.

Ein wenig gewöhnungsbedürftig für die Show-Branche: Es gab weder Musik noch Beleuchtung, nur Tageslicht. Auch wurde in den gesamten 40 Minuten kein einziges Wort gesprochen. Das zeichnet normalerweise Pornos aus.  Zum Glück wird in den Streifen nicht auch noch getanzt. Und im Anschluss an die Performance gibt’s kein Künstlergespräch wie auf Kampnagel.

Live-Sex auf der Bühne, in Hamburg längst ein alter Hut.  Doch nicht von Reeperbahn-Clubs wie dem legendären „Salambo“ ist die Rede – dort  gehörte sogar Rudelbumsen bei Shantyklängen zum Routine-Repertoire – sondern von echten Theaterbrettern. Schon 1990 zeigte die ehemalige Prostituierte und Pornodarstellerin Annie Sprinks im Schmidt-Theater total Tiefgründiges: Sie führte sich ein Spekulum ein und ließ die Zuschauer „hineinsehen“. 2004 schockte dann, ebenfalls auf Kampnagel, das Multimedia-Stück „XXX“ der spanischen Skandalgruppe „La Fura dels Baus“. Es handelte unter anderem von Inzest und Vergewaltigung. Seinerzeit ermittelte sogar die Polizei: In einer Filmszene soll eine Frau beim Sex mit einem Esel zu sehen gewesen sein. Was letztendlich aber nicht zu beweisen war.

Also bloß keine Panik, wenn Ihr mal „auf Kampnagel“ geht. Auch der künstliche Wirbel um „Libido Sciendi“ hat sich längst als Sturm im Wasserglas erledigt. Schließlich sind wir hier nicht in Basel, Bingen oder Bullerbü.