Heiß ging es her beim „Live Art Festival“ auf Kampnagel in Hamburg (1. bis 11. Juni). Schon das Vorspiel hatte es in sich. Denn das Plakat zum Kunst-Porno „Girlmonster – Community Action Center“ war der Deutschen Bahn zu drastisch. Sie verbot, die Plakate aufzuhängen – sogar an der S-Bahn-Station Reeperbahn. Dabei war in dem Tanzstück „Magical“ viel mehr zu sehen. Dort zerschnitt sich eine Schauspielerin langsam ihr Kleid, bis sie schließlich nackt auf der Bühne stand. Und setzte ihr Venusdelta mit einer Lampe in Szene. Dann zaubert sie ein scheinbar meterlanges Tuch aus sich hervor …
Ebenfalls feuchte Tuchfühlung und noch mehr anstandslose Action bot das Tanztheater-Stück „Libido Sciendi“. Um den Ort des Geschehens herum saßen 80 Zuschauer auf Kissen und Hockern. Zwei Tänzer, ein französisches Paar, kamen herein, zogen sich aus, küssten sich, verknoteten ihre Körper in verschiedensten Positionen miteinander – am Ende sollen sie sogar echten Sex gahabt haben, munkelten Hamburger Morgenpost und Abendblatt. „Riesenzoff um Porno-Kunst“, regte sich BILD auf.
Ein wenig gewöhnungsbedürftig für die Show-Branche: Es gab weder Musik noch Beleuchtung, nur Tageslicht. Auch wurde in den gesamten 40 Minuten kein einziges Wort gesprochen. Das zeichnet normalerweise Pornos aus. Zum Glück wird in den Streifen nicht auch noch getanzt. Und im Anschluss an die Performance gibt’s kein Künstlergespräch wie auf Kampnagel.
Live-Sex auf der Bühne, in Hamburg längst ein alter Hut. Doch nicht von Reeperbahn-Clubs wie dem legendären „Salambo“ ist die Rede – dort gehörte sogar Rudelbumsen bei Shantyklängen zum Routine-Repertoire – sondern von echten Theaterbrettern. Schon 1990 zeigte die ehemalige Prostituierte und Pornodarstellerin Annie Sprinks im Schmidt-Theater total Tiefgründiges: Sie führte sich ein Spekulum ein und ließ die Zuschauer „hineinsehen“. 2004 schockte dann, ebenfalls auf Kampnagel, das Multimedia-Stück „XXX“ der spanischen Skandalgruppe „La Fura dels Baus“. Es handelte unter anderem von Inzest und Vergewaltigung. Seinerzeit ermittelte sogar die Polizei: In einer Filmszene soll eine Frau beim Sex mit einem Esel zu sehen gewesen sein. Was letztendlich aber nicht zu beweisen war.
Also bloß keine Panik, wenn Ihr mal „auf Kampnagel“ geht. Auch der künstliche Wirbel um „Libido Sciendi“ hat sich längst als Sturm im Wasserglas erledigt. Schließlich sind wir hier nicht in Basel, Bingen oder Bullerbü.